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Das ist kein „Muttibusiness“

Stephanie Oppitz, Gründerin der Windelmanufaktur in Dresden, kämpft gegen die Wegwerfgesellschaft.

Stephanie Oppitz, Gründerin der Windelmanufaktur in Dresden, kämpft gegen die Wegwerfgesellschaft.

Die Dresdnerin Stephanie Oppitz will mit ihren selbst produzierten Stoffwindeln die Müllberge von Familien reduzieren und das nicht nur in Deutschland.

Stephanie Oppitz ist noch ganz euphorisiert. Die Gründerin der Dresdner Windelmanufaktur ist erst vor wenigen Tagen aus Seattle zurückgekommen. Eine Woche war sie dort mit Amazon-Experten unterwegs, um sich mit anderen Händlern über ihre Erfahrungen auf der weltgrößten Verkaufsplattform auszutauschen. „Ich habe die rechte Hand von Jeff Bezos getroffen, das erleben nicht mal die meisten deutschen Amazon Mitarbeiter“, erzählt Oppitz begeistert. Die Reise hatte sie im Rahmen des Förderprogramms „Unternehmer der Zukunft – lokal und um die Welt“ von Amazon gewonnen. Die Jury überzeugte vor allem ihre gelungene Markenbildung.

Überzeugen konnte Stephanie Oppitz mit ihrer Geschäftsidee wohl inzwischen auch viele ihrer Freunde. „Meinst du, das kauft jemand?“ oder „Was anderes fällt dir nicht ein, als Stoffwindeln zu revolutionieren.“ So und ähnlich waren die Reaktionen, die die dreifache Mutter vor fünf Jahren zu hören bekam, als sie ankündigte, Stoffwindeln selbst zu produzieren. Unterstützt und ermutigt hätten sie damals vor allem ihr Mann Volker, ehemaliger Fußball- Profi und Geschäftsführer bei Dynamo Dresden, und ihre Familie. Heute verlassen jeden Monat rund 600 DHL-Pakete die Manufakturräume in der Dresdner Neustadt. Viele gehen nach Österreich, in die Schweiz und in die deutschen Ballungszentren. „Der finanzielle Anreiz, mit Stoffwindeln zu wickeln, ist im Ausland größer, weil dort die Wegwerfwindeln viel teurer sind als bei uns“, hat Oppitz gelernt.

Den Müttern beim Geldsparen zu helfen, war jedoch nicht ihr vorrangiges Ziel, sondern das Ersparen von Chemikalien auf der Babyhaut und die Schonung der Umwelt. Die Geschäftsidee war ihr nach einem Ostseeurlaub gekommen, als sich 150 Windeln zu einem riesigen Müllberg angehäuft hatten. Da wurde der 39-Jährigen das Ausmaß der Ressourcenverschwendung so richtig bewusst. Wieder daheim in Dresden, ließ die studierte Architektin ihre Doktorarbeit immer öfter liegen und tüftelte stattdessen an ihrem Prototyp einer modernen Stoffwindel. Nach 50 Varianten hatte sie ihr dreiteiliges System gefunden. Es besteht aus einem baumwollenen Windelhöschen, einer wasserdichten Innenschicht und einer Einlage, die die Feuchtigkeit aufsaugt. So muss die Außenschicht nicht jedes Mal gewaschen werden. Je nach Stoff- und Wollqualität sowie Design kosten die drei verfügbaren Modelle zwischen 29,95 und 64,95 Euro. „Das wirkt auf den ersten Blick teuer. Die Anschaffungskosten hat man aber nach dem ersten Jahr wieder drin“, verspricht die Jungunternehmerin. Über den ganzen Windelzeitraum von zwei, drei Jahren betrachtet sind die Windeln aus der Windelmanufaktur billiger, beinhalten weniger Schadstoffe, die Eltern müssen nicht ständig nachkaufen und sie sehen auch hübsch aus. So bekomme man durch die Hintertür Menschen zu ökologischem Handeln, meint die Kämpferin gegen die Wegwerfgesellschaft.

Der 2014 gestartete Verkauf floriert. Jedes Jahr verdoppelt sich der Umsatz. In den zwei kleinen Räumen der Werkstatt kann man kaum treten. Die Regale sind bis unter die Decke mit Materialboxen und fertigen Produkten gefüllt. Unaufhörlich summen leise die Nähmaschinen. Die nächtlichen Nähschichten der Anfangszeit, wenn die Kinder im Bett waren, sind vorbei. Stephanie Oppitz hat bereits elf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eingestellt, unter anderem aus Polen, Russland und Syrien. Der Praktikant kommt aus Afghanistan. „Es ist ungeheuer schwer, fähige Fachkräfte in der Produktion zu bekommen“, klagt die Chefin. 2018 würde sie gern mit der Ausbildung von Lehrlingen beginnen.

Moderne Stoffwindeln sind nicht neu. Ihr Comeback erlebten sie in den USA. Und die Dresdner sind sogar die teuersten. Also was ist das Erfolgsrezept? „Wir sind besser beim Design und den Materialien“, sagt Oppitz. Die Saugeinlagen zum Beispiel gibt es in zehn verschiedenen Materialien und werden extra für die Firma in der Türkei gefertigt. Alle Stoffe und Wollsorten haben Zertifikate für Schadstofffreiheit.

Die Unternehmerin versteht die Windelmanufaktur nicht als „Muttibusiness“, sondern wollte sie von Anfang an professionell betreiben und wie eine große Firma aufziehen. Da spielt Internationalität eine wichtige Rolle. In diesem Jahr starteten Onlineshops in Englisch, Französisch und Italienisch. Auch strengt sich das Unternehmen an, regelmäßig Innovationen auf den Markt zu bringen wie etwa Stilleinlagen und Flanellfeuchttücher, um die mit Konservierungsstoffen getränkten Wegwerf-Feuchttücher aus Wickelkommoden zu verbannen. „Und alle Produkte sind natürlich customized“, zeigt sich die Dresdnerin im englischen Online-Handelsvokabular sicher. Das bedeutet, die Kundinnen können eigene Stoffe einschicken und jedes Babypopöchen bekommt seine ganz individuelle Windel. Und vermarktet werden die Produkte über alle Social-Media-Kanäle. Für 2018 will Oppitz eine neue Marke mit eigener Homepage für Damenslipeinlagen starten – „Von Ocker und Rot. Für schönere Tage“ wird sie heißen und soll auch in den USA erhältlich sein.

Ihre Erfahrungen will die Windelmanufaktur-Gründerin weitergeben, andere Frauen ermutigen, Unternehmertum zu wagen. Als Coach engagiert sie sich im Förderprogramm „Unternehmerinnen der Zukunft“. „Frauen brauchen Vorbilder, die in einer ähnlichen Lebenssituation sind“, sagt Oppitz. Sie will eins sein.

 

Fotos: Bonss
Text: Nora Miethke

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