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Damit jeder den Durchblick hat

Auch als Unternehmerin hat Swetlana Geisler-Reiche die Spendenbox für ihre Hilfsaktion im Blick.

Unternehmer des Jahres – Nominierte vorgestellt

Swetlana Geisler-Reiche macht mit Kontaktlinsen Millionen – und sie hilft  Sehschwachen in den ärmsten Ländern der Welt.

An einem Strand in Sri Lanka steht vor acht Jahren die Leipziger Unternehmerin Swetlana Geisler-Reiche, eine attraktive und kluge Frau, die ursprünglich von der Krim stammt. Als sie einem sehschwachen Fischer einen kleinen Gefallen tut, soll ihr
Arbeitsleben einen ganzen neuen Impuls bekommen. „Der junge Mann hatte uns zu
einer Bootstour eingeladen“, erzählt sie. „Er war fasziniert von der knallroten Brille,
die ich damals trug.“ Also bot die Frau aus Deutschland dem jungen Sir Lanker an, die Brille selbst einmal auf die Nase zu setzen. „Nie werde ich den erstaunten Ausdruck seiner großen Augen vergessen, als er feststellte, wie er seine Welt auf einmal sah.“ Swetlana Geisler-Reiche konnte nicht anders, als dem Fischer die rote Brille spontan zu schenken. Sie ist so ein Typ.


Die strahlenden Augen des Fischers legten den Keim für ein Hilfsprojekt, das die Firmenchefin bis heute begleitet. Ihr Titel: Die rote Brille. Ihr Ziel: Menschen in den ärmsten Ländern der Welt mit Brillen und Gestellen versorgen. „Eine ausgediente Brille kann anderswo ein Menschenleben verändern“, sagt Swetlana Geisler-Reiche.
Die gebürtige Ukrainerin engagiert sich aber nicht nur für Sehschwache in Afrika – sondern vor allem für ihr Leipziger Unternehmen Lensspirit, das ebenfalls für Durchblick sorgt. Ihr vor 20 Jahren gegründeter Kontaktlinsenversand gehört zu den Pionieren des Online-Handels. Seither ist er einer der größten, inhabergeführten Anbieter Deutschlands. Der Umsatz stieg voriges Jahr auf knapp zwölf Millionen Euro, fast doppelt so hoch wie 2013. Die Mitarbeiterzahl kletterte parallel auf 40 Leute.


Lensspirit verschickt ein riesiges Sortiment von Kontaktlinsen und Pflegeprodukten
an Endverbraucher und Großkunden in mehr als 25 europäischen Ländern. Die
Webseite ist nicht umsonst auf Englisch, Französisch und Russisch gehalten. Pro
Jahr verlassen etwa 180 000 Pakete die gekühlten Lager am Firmensitz, ein sanierter Güterschuppen in der Nähe des Leipziger Hauptbahnhofs. Dazu werden eigene Kreationen und professionelle augenoptische Beratung angeboten. Dabei war die Gründungsidee eines Sonntagsmorgens 1997 mit Freunden am Frühstückstisch aus einer Laune heraus entstanden. Damals wusste noch keiner, wie man Google schreibt.


20 Jahre später gilt die 45-Jährige als herausragende Gründerin im Freistaat: Sie war mehrfach nominiert als Sächsische Unternehmerin des Jahres und für den Sächsischen Integrationspreis. Ausgezeichnet wurde sie als deutsche Bewerberin mit dem „Europe’s Digital Icon“ von der EU-Kommission, mit dem Leipziger Marketingpreis und anderen E-Commerce-Prädikaten. Und sie ist zugleich ein Musterbeispiel für erfolgreiche Zuwanderung: Als junge Frau hat sie in Odessa Wirtschaft studiert und dort den „Master of economics“ gemacht. Anfang der 1990er- Jahre kam sie nach Leipzig und führte zunächst ein Last-Minute-Reisebüro in der Innenstadt, bis sie ihre ersten Kontaktlinsen verkaufte. „Ich war anfangs Telefonagentin, Buchhaltung, Einkauf, Marketing und Kommissionierer in einer Person“, erzählt Swetlana Geisler-Reiche. Doch das ist lange her.


Inzwischen arbeitet die Mutter zweier Kinder, die 2014 geheiratet hat, vor allem daran, ihr Team weiter zu professionalisieren, die fachlichen Kompetenzen der Mitarbeiter zu schulen und Führungsstrukturen zu verfeinern. „Die Marktsituation ist hart, wir müssen täglich optimieren“, sagt sie. Daneben kümmert sie sich um die Koordination ihres Hilfsprojekts.


Bei Lensspirit werden die Brillenspenden entgegengenommen, sortiert und weitergeleitet. Partnerorganisationen verteilen die Spenderbrillen dann an Hilfebedürftige in Afrika und Südamerika. Wer aussortierte Brillen abgeben möchte, kann sie direkt an die Initiative schicken (Die Rote Brille, Eutritzscher Str. 24a, 04105 Leipzig). Ein Postdienstleister plant, die Aktion auch mit kostenlosen Paketaufklebern zum Ausdruck auf der Webseite www.dierote-brille.de zu unterstützen.
Schon einmal, zwischen 2009 und 2012, hatte Lensspirit ehrenamtlich mehr als 200 000 Brillen gesammelt. Damals war Geisler-Reiche das Hilfsprojekt beinah über den Kopf gewachsen. Die Resonanz war so groß, dass sie nicht mehr ehrenamtlich zu bewältigen war. Doch seit vorigem Sommer läuft die Neuauflage. Der Startschuss fiel beim Benefiz-Radmarathon „Beneflizz“ zugunsten eines RTL-Spendenmarathons. Die agile Freizeitsportlerin sponserte die Initiative und gewann prominente Teilnehmer für das Brillenprojekt, darunter die Topmodel-Zwillinge Julia und Nina Meise, Surfweltmeister Sebastian Steudtner und die Schauspielerin und Autorin Yvonne de Bark. Dabei hat Geisler-Reiche einen weiteren Sprung gemacht: Im eigens geschaffenen „Shining-Eyes-Shop“ (Leuchtende-Augen-Shop) mit selbst entwickelten Linsen-Pflegeprodukten wird von jedem verkauften Artikel ein Euro in einem Hilfsfonds gesammelt. Die Erlöse kommen Projekten in Entwicklungsländern und in der Leipziger Region zugute, wie dem Igelschutzzentrum. Aktuell soll Geld für ein „Waisenhaus des Herzens“ für Kleinkinder in der Großstadt Arusha in Tansania gesammelt werden. Geisler-Reiche hat dort ehrenamtliche Helfer kennengelernt. Die rote Brille, sagt sie, sei heute auch ein Symbol dafür, den eigenen Blick zu öffnen – für andere.

www.die-rote-brille.de

Text: Sven Heitkamp
Foto: PR

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