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Die Erfinder des Drohnen-Navis

Die Flynex-Gründer Andreas Dunsch (v. r.), Michael Petrosjan , Holger Dirksen und Christian Caballero zeigen die Porfiversion ihrer Drohnen-Software.

 

Unternehmer des Jahres – Nominierte vorgestellt

Die Erfinder des Drohnen-Navis 

Mit ihrer App sorgen sie von Leipzig aus dafür, dass Drohnen sich nicht verfliegen. Die Macher von Flynex wollen Unternehmer des Jahres werden.

 

Bei der Bundeswehr sprangen sie als Fallschirmjäger noch selbst aus dem Hubschrauber. Jetzt basteln sie in Leipzig an einer App, die das Fliegen einfacher macht. Und das völlig unbemannt und rein zivil – per Drohne, mit der Dachdecker Sturmschäden untersuchen oder Energieversorger Strommasten inspizieren.

Die Idee war ihnen schon bei der Bundeswehr gekommen, wo sich Andreas Dunsch aus Rodewisch im sächsischen Vogtland und Michael Petrosjan aus Halle nach dem Abi als Offiziere auf Zeit verpflichtet hatten. Petrosjan (37) für zwölf Jahre, Dunsch (36) für dreizehn. „Und da hatten wir auch schon mit Drohnen zu tun“, berichtet Petrosjan. Er selbst war zuletzt sogar im niedersächsischen Seedorf, wo er zusammen mit Dunsch diente, Kommandant eines Drohnenzuges.

Bei der Bundeswehr war damals alles generalstabsmäßig durchorganisiert. Doch im Zivilleben sei das alles viel schwerer, stellte der Ex-Offizier schnell fest. Schließlich habe der Dachdecker, Brückenbauer oder Filmemacher, der eine Drohne aufsteigen lassen will, keinen Stab, der sich um alles kümmert, von der Planung über die Genehmigung bis hin zur Auswertung der Drohnenflüge.

Wann und wo überhaupt geflogen werden darf, müsse sich jeder erst mühselig aus verschiedensten Unterlagen zusammensuchen und dann bei den Behörden eine Aufstiegserlaubnis beantragen, meist noch auf Papier. „Das ist alles total kompliziert und dauert Stunden“, stöhnt Petrosjan. „Wer das einmal gemacht hat, macht das nie wieder.“ Dann steige der Dachdecker doch lieber wieder selbst aufs Dach.

Flugerfahrung von der Bundeswehr

Schon damals schwante ihm: „Das muss doch einfacher gehen.“ Sonst werde sich die Drohne als eigentlich geniales Universalwerkzeug für Planer, Vermesser und Baufirmen nie durchsetzen. Als sie dann überlegten, was sie denn nach der Bundeswehr machen sollten, kam Dunsch auf die zündende Idee: eine Software, die den kleinen Handwerkern alle komplizierten Prozesse abnimmt.

Dumm nur, dass keiner von ihnen programmieren konnte. Dunsch hat Geschichte und BWL studiert, Petrosjan Politik und Finanzen. Und auch Christian Caballero, der als Dritter dazustieß, hatte sich bei der Bundeswehr zwar zum Luftraummanager ausbilden lassen. Die eingesetzte Software kannten alle drei aber nur als Anwender.

Mehrere IT-Firmen, bei denen sie anklopften, winkten zunächst ab: Viel zu komplex sei das, was sie vorhatten. Bis Dunsch nahe der Kaserne auf den Softwareentwickler Holger Dirksen aus der Kreisstadt Rotenburg (Wümme) traf. Nach einer Stunde Gespräch war der überzeugt und sagte: „Lass machen!“ Zu viert gründeten sie dann im September 2015 die Firma Flynex. „Wir brachten von der Bundeswehr jede Menge Flugerfahrung mit und kannten uns auch mit Drohnen aus“, sagt Petrosjan. „Und Holger Dirksen brachte dann die IT-Expertise mit, damit wir das auch umsetzen konnten. Das war eine glückliche Fügung.“

Deutschland flächendeckend erfasst

Ihr Quartier schlugen die vier zunächst in Hamburg auf, wo vom Senat dann 2016 auch die erste Anschubfinanzierung kam. 2017 zog die Firma dann in die alte Heimat von Dunsch und Petrosjan um – nach Leipzig. Hier lockten potente Geldgeber: Der Technologiegründerfonds Sachsen und der High-Tech Gründerfonds steckten einen einstelligen Millionenbetrag in das Start-up – genug Geld, um zwei Jahre durchzuhalten, wie Dunsch damals sagte.

Im Januar 2018 war es dann endlich so weit: Die App „Map2Fly“ war fertig. Stolz präsentiert Petrosjan die neueste Version auf seinem Tablet. Erst einmal sieht es aus wie Google Maps. Doch dann tauchen über Leipzig überall rote Kreise auf. „Das sind die Stellen, an denen ich aufpassen muss“, erläutert Petrosjan. Industrieanlagen etwa, über die man nicht ohne Weiteres fliegen darf. Aber auch Windräder, Bundesstraßen, Fußballstadien – und selbst Kitas. „Wenn da Kinder draußen spielen, muss ich aufpassen. Schon wegen des Datenschutzes.“ Wie auch generell bei allen Menschenansammlungen ab zwölf Personen. Beim Tippen auf den Kreis öffnet sich dann ein kleines Fenster, das genau anzeigt, was dort zu beachten ist.

Außerhalb der Stadt werden die roten Kreise auf der Karte seltener – bis über Schkeuditz eine große blaue Fläche auftaucht: der Flughafen Leipzig/Halle. Wer hier eine Drohne aufsteigen lassen will, muss höllisch aufpassen. Nur außerhalb der Kontrollzone und bis 50 Meter Flughöhe sei das ohne Sondergenehmigung erlaubt, warnt Petrosjan. Wobei die Kontrollzone nicht am Zaun des Rollfeldes endet. Die anderthalb Kilometer drum herum gehören auch dazu. „Und das sieht man ohne unsere App ja nicht.“

Sprung ins Ausland wagen

100.000 Mal wurde die App schon heruntergeladen. Und in der Basisversion ist sie sogar kostenlos. Damit lassen sich die Karten aufrufen und die jeweiligen Auflagen einsehen. „Das verringert den Rechercheaufwand massiv“, wirbt Petrosjan. In der kostenpflichtigen Profi-Version lassen sich die Flugrouten dann direkt auf die Drohne überspielen – und die gesammelten Daten – meist Fotos, Videos oder Wärmebilder – am Ende zurück auf den Rechner. Wer die passende Zusatzsoftware installiert hat, kann sie dann auch automatisch auswerten lassen. Und die Software stellt auch die Daten zusammen für die Beantragung des Drohnenfluges. „Leider geht das bei den Behörden noch nicht voll digital. Aber oft reicht es aus, wenn man den ausgedruckten Projektplan einscannt und per Mail schickt.“

Herzstück der App ist das umfangreiche Kartenmaterial. „Wir haben die genauesten Geodaten in Deutschland“, sagt Petrosjan stolz. Gebäudehöhen, Nutzungsarten, Flugrouten und vieles mehr fließen ein – aus mehr als 165 Quellen. Die Daten kommen zum Beispiel von Baubehörden, Katasterämtern oder der Flugsicherung. „Und diese müssen regelmäßig aktualisiert werden.“ Das Gros der Arbeit entfalle daher längst darauf, die Geodaten ständig zu verbessern. Das binde auch einen Großteil der Mitarbeiter. „Als wir nach Leipzig kamen, waren wir nur zu viert“, erinnert sich Petrosjan. „Nur wir vier Gründer.“ Inzwischen sind es 30. Und parallel zur Belegschaft schoss auch der Umsatz in die Höhe. Laut Auskunftei Creditreform lag er 2019 bei rund einer Millionen Euro. Zwei Jahre zuvor waren es keine 30.000 Euro gewesen.

Deutschland ist inzwischen flächendeckend erfasst. Jetzt denken die vier Gründer auch darüber nach, den Sprung ins Ausland zu wagen. Petrosjan: „Wir wollen das auf andere Länder ausdehnen und haben da schon ein paar Länder im Blick.“ Zunächst kämen da die direkten Nachbarländer infrage. „Und dann können wir das peu à peu ausbauen.“

Text: Frank Johannsen 

Foto: Andre Kempner

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