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Ein Franke, der in Oederan die Fäden zieht

Unternehmer des Jahres – Nominierte vorgestellt

Alterfil hat ein extrem festes Hightech-Nähgarn erfunden. Sein Chef Gosbert Amrhein ist für den Unternehmerpreis nominiert.

Rrratsch! Plötzlich war die Hose von Pep Guardiola gerissen. Beim Spiel gegen Porto im April 2015 platzte dem Ex-Bayern- Trainer die linke Seitennaht der teuren Maßhose und gab auf 15 Zentimetern Einblicke auf den durchtrainierten Oberschenkel und die schwarze Unterhose des Spaniers. Der Nähfaden hatte versagt. Tatsächlich müssen die unscheinbaren Fäden Schwerstarbeit leisten und noch gut aussehen. Dafür arbeiten und forschen Gosbert Amrhein und 42 Mitarbeiter bei Alterfil.

Die Oederaner produzieren Näh-, Stickund Ziergarne ausschließlich in Deutschland. Wer den Weg wählt, muss hohe Qualität bieten, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Hauptprodukt ist das universelle Polyester Nähgarn Alterfil S mit spezieller Hightech-Ausrüstung. Die patentierte Technologie ermöglicht ein ausgezeichnetes Kraft-Dehnungsverhalten. Die Fäden kräuseln nicht, sodass selbst bei schwierigen Stoffen dauerhaft glatte Nähte entstehen und Knöpfe festsitzen.

Das Garn gibt es in sieben Stärken und über 760 Farben. Ferner produziert das Unternehmen Bauschgarne, elastische Fäden, Metallicfäden, Stickgarne und sonstige Fäden. In der gut hundert Jahre alten Fabrik wird aber auch geforscht, gefärbt und veredelt, mittlerweile auch für den technischen Einsatz. Mit Partnern entwickelt Alterfil Zwirne und Garne, die aus einer Mischung von Basalt- und Kunstfasern bestehen. Dafür wurde neue Technik angeschafft, denn es geht nicht mehr nur ums Nähen, sondern auch ums Sticken, Weben, Stricken, Flechten. „Das sind echte Herausforderungen“, sagt Amrhein mit einem Gesichtsausdruck, der Spaß an der Sache und Freude auf Innovationen widerspiegelt.

Gosbert Amrhein ist stolz auf den Betrieb mit 40 Leuten. Als Mitarbeiter beim Nähfaden-Produzenten Ackermann Göggingen AG in Augsburg hatte er einen tollen Job, bereiste die Welt. Dennoch lockte 1994 ein Projekt mit neuartigen Nähfäden im Osten. Amrhein ging nach Oederan und R fühlte sich gleich heimisch. Anfangs pendelte der Familienvater. Im Erzgebirge der Job, im Spessart das gerade erst gebaute Eigenheim. Die Familie entschied sich für Gemeinsamkeit und zog Anfang 1995 mit den drei Kindern vorerst in die Fabrik.

„Es schwebte ständig ein Damoklesschwert über uns“, blickt Amrhein zurück. Größere Mitbewerber hätten Gerüchte gestreut, um dem Betrieb zu schaden. 1996 wurde ein für das Unternehmen brisanter Controllingtermin am Vorabend abgesagt. Der zuständige Manager war auf tragische Weise ums Leben gekommen. Zeitgewinn für die Sachsen. „Ich bin mir nicht sicher, ob Alterfil den Termin überlebt hätte“, so Amrhein. 1999 kamen zwei Banker, die den Gesellschafter durchleuchteten, nach Oederan. Alterfil hatte damals noch hohe Anlaufverluste. Einer der Banker legte die Füße auf den Tisch und sagte: „In 14 Tagen ist der Laden zu!“ Da Alterfil nicht im Konzern bilanziert wurde, hatten die Banker keine Handhabe gegen die Oederaner. 2006 übernahm Gosbert Amrhein im Management-Buy-out mit Thomas Seitz die Firma. Nach dessen Tod führt er seit 2012 allein die Geschäfte. Der 56-Jährige ist ein Multimedia-Freak. Vielleicht liegt das an seinen fünf Kindern. Internet, E-Business und Social Media sind Chefsache. Die Facebook-Seite betreut er persönlich. 2016 wurde der Onlineshop überarbeitet. Dort können Hobbynäherinnen, kleine Nähateliers oder Start-ups aus dem großen Angebot auswählen, das sonst nur der Industrie zur Verfügung steht. Mittelfristig soll der Onlineshop ein zweites Standbein werden. Statt teurer Werbung werden im Internet Wettbewerbe publiziert – wie gerade um die schönste selbst genähte Tasche. Die Siegermodelle werden im März in Dortmund auf Europas größter Kreativmesse „Creativa“ ausgestellt.

Gosbert Amrhein fühlt sich wohl in Oederan. Die Familie wohnt etwa zehn Minuten zu Fuß vom Werk entfernt. Die Kinder sind dort groß geworden, der älteste Sohn promoviert an der Bergakademie Freiberg. Zusammenhalt ist dem gebürtigen Franken auch in seiner Firma wichtig. Die Weihnachtsfeiern sind bei den Mitarbeitern beliebt, und beim 20-jährigen Jubiläum von Alterfil wurde drei Tage gefetet. Die soziale Einstellung des Chefs erfahren auch Oederaner Vereine und Projekte wie der Hospiz- und Palliativdienst „Begleitende Hände“, die Freiwillige Feuerwehr, die Tafel „Aktion Brotkorb“ und der Blasmusikverein, wo der Chef Tenorhorn spielt. Amrhein möchte nicht gern in die Öffentlichkeit. Er mache nichts Außergewöhnliches, sagt er. Der Textilverband VTI ist da anderer Meinung. „Gosbert Amrhein ist eine herausragende Unternehmerpersönlichkeit“, sagt Verbandschef Bertram Höfer. Und solche starken Worte kommen ihm wirklich nur selten über die Lippen.

www.alterfil.de

Text: Ramona Nagel
Foto: Steve Conrad

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