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Ein Hauch von Christo

Eric Bradatsch und seine Mutter Ines führen die Digitaldruckerei Texsib in Beiersdorf bei Löbau. Sie beginnen dort, wo andere aufhören – und wurden jetzt für den Unternehmerpreis nominiert.

Eric Bradatsch ist überrascht. »Wie, wir wurden für Sachsens Unternehmerpreis vorgeschlagen?«, fragt der Chef und Mitinhaber der Texsib GmbH ebenso ungläubig wie begeistert. Ein so möglicher Sieg im branchenübergreifenden Wettbewerb würde ja sogar den Titel »Drucker des Jahres« toppen, den der Familienbetrieb in Beiersdorf 2023 verliehen bekam.

Texsib fertigt riesige Fassadenbanner für Modenschauen, Messen, Sport- und andere Events. Zur Kundschaft zählen Wiederverkäufer aus dem Messebau sowie aus der Werbe- und Veranstaltungsbranche.

Den ersten großen Job gab es zur Fußball-WM 2006: die künstlerische Verkleidung des abrissreifen »Dreitürmehauses« in Leipzig mit unzähligen Bildern, zusammengeschweißt auf 13.000 Quadratmetern. Neben solchen Einzelprojekten gibts Dauerjobs wie vom Modehaus Breuninger in Stuttgart, das im Abo 670 Quadratmeter Fassadeneinhüllung mit Werbung ordert.

»Wir fangen an, wo andere aufhören oder wenn es um große Mengen und Schnelligkeit geht«, sagt der Chef. »Oder wo der Mut wegen der Größe fehlt«, ergänzt Mutter Ines, die mit ihrem Sohn die Geschäfte führt. »Bauzaun-Banner kann jeder«, sagt Eric, auf dessen Visitenkarte groß »think bigital« steht. Nichts aus der Abteilung Größenwahn, sondern aus der Rubrik »Visionär, der weiß, was er kann«.

Ein Hauch des legendären Verhüllungskünstlers Christo weht durch die lichtdurchfluteten Firmengänge im Drei-Länder-Eck – mit gläsernen Türen, Fotopostern mit Wow-Effekt und tiefgründigen Botschaften. Besucher spüren den besonderen Geist im Unternehmen – auch im Erdgeschoss, wo zwischen 18 Großformat-Druckmaschinen reges Treiben herrscht.

Angefangen hatte es noch zu DDR-Zeiten deutlich kleiner. Ines und ihr Mann Holger, heute Berater, hatten aus der damaligen Not des T-Shirt-Mangels eine Tugend gemacht. Pullis mit dem Pionier-Emblem gab es zuhauf. »Wir haben die ungeliebten Logos im elterlichen Wohnhaus mit Micky Mouse oder einem Fuchs mit riesigen Schwanz überdruckt«, erzählt Ines. So seien die Ladenhüter auf Trödelmärkten zu Bestsellern geworden. Gleich nach der Wende gründeten sie Texsib, Kürzel für Textil-Siebdruck, stiegen in den Digitaldruck ein und wuchsen so rasant, dass es eine größere Produktionsstätte brauchte: den heutigen Sitz nahe Löbau.

Mit der Druckbreite von anfangs 28 Zentimeter auf nun fünf Meter wuchs die Kundschaft – und auch die Belegschaft auf 70 Beschäftigte, darunter zehn aus Polen und Tschechien. Ihre Aufträge kommen aus dem deutschsprachigen Raum, aber auch aus Übersee und Dubai.

Während der Schulzeit profitierte Hobbygamer Eric von ausrangierten Firmen-PCs. Als das Zocken langweilig wurde, brachte er sich das Programmieren bei, baute Homepages und half seinen Eltern. Ein Studium in »International Business Management« im niederländischen Venlo brach er ab, als sie ihn ob seiner digitalen und Englischkenntnisse brauchten. Er entwickelte mit Kollegen ein Wochenplanungs-Tool mit Zeiterfassung, Marketingautomatisierung, CRM, Fakturierung und Mahnwesen – und wurde 2017 Co-Chef.

»Wir sind immer schon ein Stück in der Zukunft, haben präventive Wartung, die noch gar nicht im Markt angekommen ist«, sagt Eric. Alle Maschinen seien redundant, es gebe kaum ungeplante Stillstandzeiten. Ferner beschäftigt ihn die Prozessautomatisierung mittels künstlicher Intelligenz. Das Ziel: Mitarbeitende von stupiden Aufgaben etwa im Zahlungsverkehr befreien und ihnen Raum für eigene Kreativität geben.

Die Grenzen des Machbaren seien noch nicht erreicht, ist Bradatsch überzeugt. Der 36-Jährige will Texsib breiter aufstellen. Der Bannermarkt sei längst nicht erschlossen, das Onlinesegment nicht an seinen Grenzen. Zudem werde Personalisierung und Fertigung auf Bestellung immer wichtiger. Hotelzimmer ließen sich mit bedruckter Decken- und Wandbespannung nett gestalten, auch Autohäuser, Spielezentren. Er denkt an individuell bedruckte Akustik-Panels in Großraumbüros, wo die Teams auf Firmenwerte oder -ziele eingeschworen werden – inklusive akustischer Effekte. Auch ließen sich alte Fabriken mit einer Werbebotschaft preiswert und mit thermischen Effekten verblenden.

Der Chef redet ohne Komma. Seine Begeisterung steckt an. Auch sein jüngerer Bruder, der gerade das Abi macht, habe bereits einen Onlineshop mit Druckprodukten und sei Feuer und Flamme. »Jeder muss die Chance haben, sich mal den Kopf einzurennen«, sagt Ines. »Wenn Eltern alles vordenken und schützend die Hand drüber zu halten, findet keine Entwicklung statt.« Sie hätten schon Reibereien gehabt, seien »jetzt aber krass auf einer Wellenlänge«, bestätigt Eric, selbst noch kinderlos aber liiert, der liebevoll von seiner »Mum« spricht. »Wenn sie während Corona nicht gebremst hätte, wären wir gegen den Baum gefahren.« Durch Wegfall der Messen sei gut der halbe Umsatz weggebrochen.

Mittlerweile erwirtschaftet Texsib gut neun Millionen Euro Umsatz, mehr als vor Corona, und dunkelschwarze Zahlen.

Die Druckerei hat Großes vor, will auf bis zu 40.000 Quadratmetern expandieren, das sind fast sechs Fußballfelder. Noch liegt Schnee auf den benachbarten Flächen – und auf den Plänen. »Wir möchten wachsen, sind bei Prognosen aber vorsichtiger geworden«, sagt der Chef. Die Dynamik hänge auch vom Personal ab. »Wir suchen ständig Texperten aus allen Bereichen – Vertriebler, Drucker, auch Quereinsteiger«, sagt der junge Mann mit dem Zopf.

»Es geht um gemeinsames Wachsen«, sagt Ines. Jeder und jede solle sich mitentwickeln. Es finde eine riesige Transformation statt, »wir wandeln uns wie eine Raupe zum Schmetterling«, sagt die 58-Jährige. Mutter und Sohn wollen keine seelenlose Firma, in der niemand lacht. Bei Texsib werde gern und ausgiebig gefeiert, sagen sie. Es gebe Jobrad-Angebote, Einkaufs- und Tankgutscheine, Altersversorgung, Weiterentwicklungschancen, vor allem aber einen erfüllenden Job. »Und es gibt bei uns mehr bitte und danke als anderswo«, sagt der Geschäftsführer.

Auch solche weichen Faktoren zählen beim Wettbewerb „Sachsens Unternehmer des Jahres“. Familie Bradatsch träumt schon mal von der »Träumenden«.

Der Wirtschaftspreis »Sachsens Unternehmer des Jahres 2024« und der Gründerpreis »Sachsen gründet – Start-up 2024« sind eine Initiative der »Sächsischen Zeitung«, der »Freien Presse«, der »Leipziger Volkszeitung« und des MDR sowie von VW Sachsen, der Beratungsgesellschaft Schneider + Partner, der LBBW, der Gesundheitskasse AOK Plus und »So geht sächsisch«.

Text: Michael Rothe

Foto: Matthias Rietschel

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