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Ein Multitalent erfolgreich auf dem Holzweg

 

HID verbaut nur bestes Holz. Der kleinste Schädlingsbefall führt in den USA zur Abweisung des Maschinenteils, sagt Maik Juppe (h.)

 

Ein Multitalent erfolgreich auf dem Holzweg

 

Unternehmer des Jahres – Nominierte vorgestellt

Maik Juppe hat einen besonderen Gemischtwarenladen. Bei seinem Angebot können andere einpacken.

Kisten-Maik – das hat was von Wurst-Ede, Aal-Ole, Käse-Max. Maik Juppes Freunde frotzeln mitunter und der so Gerufene lässt es über sich ergehen. Zwar sind Holzverpackungen – ob für eine Vase der Staatlichen Kunstsammlungen, lebende Krokodile oder einen 55-Tonnen-Trafo von Siemens – die imposantesten Produkte im Portfolio des Unternehmers, doch ist der Heidenauer mit seiner ProInn Beteiligungen GmbH eher ein Tausendsassa. 

Das kleine Imperium aus 14 verschiedensten Firmen reicht vom Messgerätebauer K. Fischer im erzgebirgischen Drebach über die Spielplatzwelt Königstein, den Heidenauer Universaldienstleister DMS, einen Kesselsdorfer Oldtimer-Service und andere bis zur Industriebeschichtung Neustadt. Und zum Kisten- und Palettenhersteller Holzindustrie Dresden mit 92 Beschäftigten, 19 Azubis und gut neun Millionen Euro Jahresumsatz. Der reine Palettenbauer mit Wurzeln, die bis 1898 reichen, hat sich zum „Exportdienstleister“ gemausert und bietet Kunden wie Mikromat, Trumpf, von Ardenne, KBA und Bombardier ein individuelles Komplettpaket an bis hin zu Lagerung, Korrosionsschutz, Zollabwicklung.

„Wenn es Deutschland schlecht geht, spürt es unsere Branche zuerst“, sagt der 50-jährige, der nach eigener Aussage noch nie eine Firma abmelden musste. „Wir sind ein Indikator. Was wir nicht verpacken, wird auch nicht versendet“, sagt er.
Laut Bundesverband Holzpackmittel wurden 2018 in Deutschland 111 Millionen Holzpaletten gefertigt. Auch bei Holzkisten sei die Nachfrage auf gut 1,65 Millionen Kubikmeter gestiegen. Mit kaum 180 Betrieben, darunter vier größere in Sachsen, 7.700 Beschäftigten und 1,7 Milliarden Euro Jahresumsatz ist die Branche in Deutschland überschaubar. Ihren Kunden geht es gut. Noch, denn Experten sehen mit Sorge die schwache Auslandsnachfrage nach Industriegütern wegen des von den USA befeuerten Protektionismus und des Brexits. Hinzu kämen Probleme durch den Strukturwandel im Autobau, heißt es, und die Verlagerung der chinesischen Nachfrage von Produkten hin zu Dienstleistungen.

Die Holzindustrie Dresden (HID), in der DDR Leitbetrieb der volkseigenen Verpackungsproduktion und 1990 reprivatisiert, wächst jährlich um zwei bis drei Prozent. Die verarbeiteten Fichten und Kiefern kommen aus Sachsen, Tschechien, Polen und dem Schwarzwald – kein Bruchholz, nur beste Qualität. „Schon der geringste Schädlingsbefall kann zur Abweisung der Maschine im Bestimmungsland führen“, sagt Juppe. HID sei kein Tarifbetrieb, zahle aber ordentliche Löhne, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Zu den Extras für Mitarbeiter gehörten das steuerbegünstigte Jobrad. Solarmodule auf einem Hallendach decken fast die Hälfte des Strombedarfs.

Oldtimer, Löcher-Jeans und Steaks

Juppe, der „eine mangelnde Kommunikationskultur im Umgang miteinander“ und Anfeindungen im Internet kritisiert, zieht. Zum Sommerfest schaute gar Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vorbei. Auch Panikrocker Udo Lindenberg ist angetan vom Heidenauer Multitalent, nennt ihn auf seinem „Udogramm“, einem comicartigen Geburtstagsgruß, eine „alte coole Socke“. Freunde hatten Juppe mal ein Gemälde des Popstars geschenkt – mit der Liedzeile „Ich mach mein Ding“. Beide Bilder hängen im Büro mit Blick auf Holzstapel im Hof, Produktions- und Lagerhallen.

Auf einer Kommode stehen kleine Figuren, Fahrzeuge, Messgeräte, ein Bild mit Fußabdrücken von Kindern und eine Kiste mit Jahreskarten für Dynamo Dresden. Der scheinbar wahllose Nippes steht für das erfolgreiche Firmennetz des Chefs, sein Engagement für Soziales und die Region. Darunter ist auch eine Trophäe von 2016: die für den besten Unternehmer im Landkreis. Die 1.000 Euro Preisgeld hatte er dem Spielplatzverein seiner Heimatstadt gespendet.

Der Maschinen- und Anlagenmonteur, der „mit 40 im sicheren Hafen sein wollte“, macht sein Ding. Im Sommer übernahm er in Ergänzung seiner Bischofswerdaer Fleischerei Schiebocker die Landschlachtstelle Sohland. So sichert er 15 Jobs und dokumentiert mit Fleisch aus eigener Schlachtung eine transparente Fertigungskette.
Oft sind es kränkelnde und insolvente Adressen wie die Messtechnik-Manufaktur K. Fischer, denen Juppe auf die Beine hilft. Seine Gruppe erwirtschaftet mit rund 330 Mitarbeitern gut 40 Millionen Euro Jahresumsatz. Er ist kein abgehobener Konzernboss in Anzug und Krawatte, sondern ein lockerer Typ in zerlöcherten Jeans und Freizeithemd und mit einem Faible für Harleys, Oldtimer, Steaks. Juppe, der auch im Lionsclub und beim ambitionierten Solarjacht-Projekt ostsächsischer Unternehmer mitmischt, macht auf Understatement. Er weiß aber, was er kann und was die Kommunen an seinem Unternehmen haben. Daher versteht er nicht, dass Dresden ihm beim Kauf des Nachbargrundstücks seit Jahren hinhält. Die zur Firmenerweiterung nötige Immobilie gehöre zwar zu Heidenau, werde aber von der Landeshauptstadt vermarktet, erklärt Juppe. „Ich will bis zum Jahresende eine Entscheidung“, sagt er. „Ansonsten müssten wir näher zu unseren Kunden und in die Lausitz“. Wer den zielstrebigen Chef kennt, weiß, dass man diese Drohung ernst nehmen sollte.

„Als Unternehmer machst du nicht kurzfristig, alles sollte langfristig sein“, sagt der Mann, der einst sein BWL-Studium schmiss, seit 1990 selbstständig und seit 35 Jahre mit derselben, in der Firma mitarbeitenden Frau zusammen ist. Und mit der er drei Kinder hat. Zu deren „30.“ wolle er wissen, ob sie unternehmerische Verantwortung übernehmen möchten, sagt der Familienvater. Christoph, sein Ältester und „als einfacher Beschäftigter“ beim Barometerbauer K. Fischer angestellt, hat noch vier Jahre Zeit. Auch die studierenden Zwillinge bringen sich im Nebenjob in die Firma ein.

Juppe ist mit der Holzindustrie Dresden nicht nur Seismograph der Wirtschaft. Er ist auch Gradmesser im Wettbewerb „Sachsens Unternehmer des Jahres“. Wie singt Kumpel Udo: „Hinterm Horizont geht`s weiter… und so was Großes nicht einfach vorbei“. Für „Die Träumende“, die grazile Siegerstatue für „Sachsens Unternehmer des Jahres“, wäre im Büro noch Platz.

Text: Michael Rothe

Foto: Thomas Kretschel

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