Die Sächsische Zeitung, die Leipziger Volkszeitung, die Freie Presse und der MDR zeichnen wieder sächsische Wirtschaftspioniere aus. Erst recht und gerade in diesen unruhigen Zeiten.
Regierungskrise, Klimakrise, Haushaltskrise und nicht zu vergessen zwei zerstörerische Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen. Wer ist da nicht verunsichert? Hohe Energiepreise und überbordende Bürokratie machen das Wirtschaften schwer. Der Umsatz in der sächsischen Metall- und Elektroindustrie ist im ersten Halbjahr um fast zehn Prozent eingebrochen, die Zahl der Insolvenzen im Freistaat um fast ein Viertel gestiegen im Vergleich zum Vorjahr. Wer hat angesichts dieser Nachrichtenlage Lust auf die Zukunft, bringt den Mut auf, neue Wege zu gehen?
In Zeiten, in denen keiner weiß, wie es weitergeht, neue Geschäftsideen zu verfolgen oder alte Produktionspfade neu auszurichten – so zu denken, ist unternehmerisch. Das hilft dabei, Krisen zu bewältigen. Die Zukunft hängt nicht davon ab, ob in Berlin noch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz auf den Weg kommt, sondern auch, ob und wie Unternehmer und Unternehmerinnen sich selbst in der Gestalterrolle wahrnehmen. Oder ob sie sich nur den Umständen ausgeliefert fühlen. Unternehmertum ist Zuversicht. Kein Mensch gründet, wenn er nicht optimistisch in die Zukunft blickt und daran glaubt, dass seine Produktion oder seine Dienstleistung eine Verbesserung bringen kann. Zum Unternehmertum gehören neben der Fähigkeit zu ungewöhnlichen Problemlösungen und Leistungswille, auch die Bereitschaft zu Aufbruch und Neuanfang, zum Entwickeln und Verwerfen von Ideen.
Im Sinne von Joseph Schumpeter sind dynamische Unternehmer und Unternehmerinnen Pioniere der wirtschaftlichen Erneuerung. Sie bringen nicht nur Innovationen hervor, sondern sie erkennen und nutzen neue Chancen für Produktionsmethoden, Organisationsformen, Märkte oder Bezugsquellen. Herausragende Merkmale von Pionieren sind Kreativität und Offenheit, Durchsetzungsfähigkeit und Eigeninitiative. Risiko- und Wettbewerbsneigung.
Gibt es solche Pioniere in Sachsen? Natürlich. Die Sächsische Zeitung, die Leipziger Volkszeitung, die Freie Presse und der MDR zeichnen jedes Jahr einen von ihnen aus. Nur zwei Beispiele: Rainer Gläß, Sachsens Unternehmer des Jahres 2018 , verkörpert die Eigenschaften Offenheit, Risikobereitschaft und Mut zum großen Denken. Er baute mit GK Software vom Vogtland aus ein Unternehmen mit über 1.000 Beschäftigten auf und machte es so attraktiv für eine Übernahme durch den Konzern Fujitsu, damit GK Software weiter wachsen kann.
Christian Piechnick, Mitgründer des Start-up Wandelbots, wurde 2019 als Sachsens bester Gründer ausgezeichnet. Doch die Idee von Sensorjacken und Anlernstiften für Jedermann zur Steuerung von Robotern setzte sich am Markt nicht durch. Wandelbots verwarf die Idee, stellte sich neu auf und präsentierte kürzlich das erste herstellerunabhängige Betriebssystem für Roboter. Dank solcher Unternehmerpersönlichkeiten und einer wachsenden Anzahl innovativer Firmen entwickeln ostdeutsche Regionen zunehmend eine eigene wirtschaftliche Identität.
Angesichts der vielen Krisen blieb der 35. Jahrestag des Mauerfalls fast unbemerkt. Für viele Menschen sind der 9. November oder der 3. Oktober leider längst keine Feiertage mehr. Ihnen fehlt der Stolz auf das Erreichte. Ein durchschnittliches Einkommen von 80 Prozent des Einkommens im Westen wird nicht als Erfolg gesehen, sondern als Ungerechtigkeit. Mit dem Wirtschaftswunder nach der Wende können sich viele Ostdeutsche nicht identifizieren wie die Westdeutschen mit dem Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg. Denn die blühenden Landschaften kamen nicht so schnell wie von Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl versprochen. Aber in Teilen sind sie durchaus da.
Wieder befinden wir uns in großen Transformationsprozessen – in der Energiewirtschaft, im Automobilbau, durch Digitalisierung und demografischen Wandel. Für Börsianer sind volatile Zeiten großartige Zeiten, um Terrain zurückzugewinnen. Jetzt kommt es darauf an: Tell your story! Geschäftsmodelle und Produktionsideen sichtbar zu machen. Auch wenn am Ende nur einer oder eine »Sachsens Unternehmer:in des Jahres« werden kann, geht es in einem solchen Wettbewerb vor allem darum, Ideen und Vorstellungen mit anderen zu teilen, um zu inspirieren. Daher ist jede Bewerbung wichtig!
Text: Nora Miethke, Leiterin Wirtschaftsressort, Sächsische Zeitung und Leipziger Volkszeitung
Foto: Claudia Jacquemin