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Mister Multi-Channel

Unternehmer des Jahres – Nominierte vorgestellt

Manuel Molina hat in Dresden ein Netzwerk für Reisebüros gegründet, das sie nicht nur für das Internetzeitalter fit macht.

Der gebürtige Spanier liebt dieses Bild. Der Turmbau zu Babel als Puzzle, zusammengesetzt aus 10.000 Einzelteilen. Ein Symbol für Manuel Molina, der auch gern das Große, das Außergewöhnliche wagt. Nur lässt er sich dabei nicht vom Weg abbringen, wie damals die Menschen aus Schinar.

1993 hat Manuel Molina mit der Touristik Service System GmbH, kurz TSS, eine Reisebürokooperation gegründet. Sitz war und ist bis heute Dresden. Damals gab es zwölf Reisebüros aus der Region, die sich dem Netzwerk anschlossen. „Ich wurde belächelt“, erinnert sich der zweifache Familienvater. Der Branche ging es hervorragend. Jeder konnte reisen wohin er wollte. Grenzen setzten nur das Reisebudget und die eigene Abenteuerlust. Die großen Reiseveranstalter zahlten gute Provisionen und überhäuften die Reisebüros mit farbenprächtigen Werbeutensilien. Das Internet war schon erfunden, doch es sollte noch gut ein Jahrzehnt dauern, bis es zu einem Wettbewerber bei der Reisevermittlung werden würde. Goldene Zeiten also für die Reisebranche. Wozu eine Kooperation eingehen, fragten viele. „Um unabhängig zu bleiben, um die eigene Verhandlungsposition gegenüber den Reiseveranstaltern zu stärken, um bessere Konditionen zu erhalten“, erklärte Manuel Molina, damals 28 Jahre jung.

Es war sein zweites Jahr in Dresden. Er war im März 1992 an die Elbe gekommen, sollte als Luftfahrtexperte den Flughafen Dresden beraten. Doch es dauerte nur wenige Wochen, bis ihn die Industrie- und Handelskammer für die Ausbildung ihrer Reiseverkehrskaufleute abwarb. Die meisten, die damals vor Manuel Molina im Unterricht saßen, waren deutlich älter als er, hatten bereits eine Karriere als Polsterer oder Polizist hinter sich. Sie sollten nun von dem „Spanier im Osten“ lernen, wie man ein Reisebüro führt. Viele Absolventen, insgesamt über 500, hat Molina bis zur Prüfung begleitet, starteten in eine Boombranche,-die erst nach den Terroranschlägen von New York 2001 einen harten Dämpfer erhalten sollte. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich schon einige hundert Reisebüros der TSS Group angeschlossen. Heute sind es 2900 aus ganz Deutschland und 3600 europaweit. „Wir sind damit der zweitgrößte veranstalterunabhängige Partner für Reisebüros in Europa“, sagt Manuel Molina. Er nennt die Reisebüros nicht Mitglieder, sondern Partner, denen er seine Dienstleistungen anbietet. Die sind spätestens seit 2002 stark gefragt. Es gab mit dem Internet plötzlich Alternativen zum Reisebüro, die gerne genutzt wurden und werden. Doch dann überrascht der 51-Jährige mit einer Zahl. Vier von fünf Urlaubsreisen werden auch heute noch im Reisebüro gebucht. „Viele Kunden informieren sich natürlich vorab im Netz. Sie sind heute so aufgeklärt, wie nie zuvor. Dem muss die Beratung Rechnung tragen“, sagt Molina. Er sah im Internet aber nie eine Bedrohung, sondern eine Chance, gründete 2002 die Onlineplattform „onlineweg.de“. Kunden können hier ihren Urlaub buchen oder sich einfach nur vorinformieren. „Das Netz ist einfach ein zusätzlicher Vertriebskanal“, sagt Manuel Molina, der auf Podiumsrunden fortan auch gern als „Mister Multi-Channel“ angekündigt wird. Seine Meinung ist gefragt, auch bei der Debatte um das neue Pauschalreisegesetz. Erst vor wenigen Wochen reiste der Unternehmer nach Berlin, um vor Bundestags-abgeordneten für Änderungen im Gesetzestext zu werben – quasi auf der Zielgeraden, denn das Kabinett hat das Gesetz schon durchgewunken-und riskiert damit die Zukunft von bis zu 40 Prozent der deutschen Reisebüros, ist Manuel Molina überzeugt. Sachsen träfe das besonders. Hier herrscht im bundesweiten Vergleich die höchste Reisebürodichte. Das neue Gesetz verkompliziert den Verkauf von Reisen unnötig. Reisebüros müssten künftig jede Einzelleistung der Reise, beispielsweise Ausflüge, zusätzliche Übernachtungen oder Flughafentransfers, eigens quittieren lassen, einzeln abkassieren und extra besichern. Mehrere Tausend Euro für Versicherungsleistungen kämen so auf die kleinen Unternehmen zu, warnt Manuel Molina. Besonders paradox: Die Pauschalreiserichtlinie muss nur geändert werden, weil die Europäische Union das so will. Und eingebracht hat den Vorschlag ausgerechnet jene Nation, die jetzt ihren Brexit vorbereitet. Das sind die Momente, an denen selbst Manuel Molina nah dran ist, an Europa zu verzweifeln.

Dabei ist er Kosmopolit durch und durch. In Malaga geboren, wuchs er in Frankfurt/ Main auf. Seine Eltern waren Ende der 1950er Jahre nach Deutschland gekommen, um hier zu arbeiten. Molina war neugierig auf die Welt, wollte Pilot werden und erwarb 1988 die Berufspilotenlizenz. Er liebt das Fliegen, auch heute noch. Zum Abheben fehlt ihm aber die Zeit. Das wird vermutlich so bleiben. An diesem Wochenende ist Manuel Molina auf der Reisemesse Dresden anzutreffen. Sie wird von der zur DDV Mediengruppe gehörenden Ortec veranstaltet. Manuel Molina hat Vertreter aus seiner spanischen Heimat, speziell aus Andalusien, nach Dresden eingeladen. Der Unternehmer will den Austausch fördern. Wer andere Kulturen kennt, ist nicht nur wissender, er ist auch toleranter. Und das könne in Zeiten wie diesen nicht schaden, sagt er.

www.tss-group.eu

Text: Ines Mallek Klein
Foto: Rober Michael

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