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Sebnitzer Fensterbauer passen in keinen Rahmen

Preisverdächtig: Siegfried und Florian Jehle (v.l.), Chefs und Inhaber der Sebnitzer Fensterbau GmbH, haben für ihre extravagante Image-Broschüre gleich mehrere Preise erhalten. Jetzt sind Vater und Sohn auch scharf auf „Die Träumende“.

Preisverdächtig: Siegfried und Florian Jehle (v.l.), Chefs und Inhaber der Sebnitzer Fensterbau GmbH, haben für ihre extravagante Image-Broschüre gleich mehrere Preise erhalten. Jetzt sind Vater und Sohn auch scharf auf „Die Träumende“.

Siegfried und Florian Jehle haben gerade den Marketingpreis des Branchenverbands abgeräumt. Jetzt wollen sie auch „Die Träumende“.

Auf dem ovalen Tisch im Besprechungszimmer der Sebnitzer Fensterbau GmbH liegt ein Karton von der Größe einer Pizzaschachtel. Darin: Sägespäne, der Duft von Holz und eine Broschüre, die es mit starken Fotos, vielen Klappen und Bauplänen nicht nur in sich hat, sondern auch obendrauf: Ein geprägter Einband mit Wow-Effekt. „Die verwitterte Eiche soll ein Gefühl vermitteln, als stehe man im Wald“, sagt Juniorchef Florian Jehle. Herumfliegende Späne beim allzu schwungvollen Öffnen seien gewollt, kurzer Ärger kalkuliert. „Das ist der Sinn von Marketing: Es bleibt im Kopf“, so der 29-Jährige. Der Imageprospekt sollte ein Statement sein – auch für die neue Holzfensterproduktion.

„Preise öffnen Türen“, sagt Ulrich Tschorn, Chef des Bundesverbands Fenster + Fassade, und überreicht Florian und dessen Vater Siegfried Jehle den Marketingpreis der Organisation. Sie hat in Sachsen 83 Mitglieder mit 1 273 Beschäftigten. In Deutschland gibt es 6400 Fensterbaubetriebe. Sie erwirtschaften mit 100 000 Mitarbeitern elf Milliarden Euro Jahresumsatz.

Die Sebnitzer fallen dort aus dem Rahmen – nicht nur mit dem Reklamecoup, für den sie auch den German Design Award 2018 einheimsten und ihre Krefelder Werbefirma den Deutschen Agenturpreis erhielt. Auch Werdegang und Firmengebäude mit zwei spiegelbildlichen Hallen auf 17 000 Quadratmetern sind besonders.

Hervorgegangen aus einem Sägewerk hat sich der Betrieb im vergangenen Jahrhundert stetig erweitert und schon zu DDR-Zeiten als Teil des VEB Bauelemente Erfurt Holz- und Kunststofffenster produziert. Nach der Wende wurde das Unternehmen zunächst von der Treuhand als Baufa-AG weitergeführt. 1992 von Siegfried Jehle und Arnim Weyer mit 20 Leuten übernommen, fertigen heute 65 Beschäftigte und fünf Lehrlinge Fenster und andere Bauelemente aus Holz und Kunststoff für Wohnanlagen, Kindergärten, Hotels und anderes mehr. Dem Kauf für eine symbolische D-Mark folgten Millioneninvestitionen in moderne Bearbeitungszentren auf Sumpfland. Der erste Auftrag danach war die Ausstattung eines großen Hotels in der usbekischen Hauptstadt Taschkent. Eine Zäsur war der Fall Joseph. Als 2000 Sebnitz am Pranger stand, weil Neonazis einen Sechsjährigen ertränkt haben sollen, hätte das fast ein Joint Venture gekostet. Doch die Chinesen wurden überzeugt. Ableger gibt es auch in Kanada und der Ukraine.

Gut, dass wir an der Grenze sind

Auf der Referenzliste der Sebnitzer stehen Wohnquartiere bundesweit, auch Luxusappartements vis à vis vom Zwinger in Dresden, die dortige Offiziersschule und das Solar Info Center in Freiburg, ein Kompetenzzentrum für die Energiewende mit mehr als 40 Firmen. Dort hatte es im Februar gebrannt. Bilanz: sieben Verletzte, 42 Millionen Euro Schaden. „Es gingen auch wichtige Bauunterlagen verloren, und wir waren die Einzigen, die helfen konnten“ sagt Siegfried Jehle. Also spielten die Sebnitzer Feuerwehr. Zur Sanierung der Hauptfassade blieben nur acht Wochen Zeit, denn dort sollte ein Kongress stattfinden. „Es war ein Kraftakt, aber wir haben es geschafft“, so der Kaufmann.

Der Badener weiß, was es heißt, unter Zeitdruck handeln zu müssen. Der Chemiker hatte in den 80ern für den Haarkosmetikkonzern Wella in West-Berlin gearbeitet und dort den Mauerfall erlebt. „Mein Schwager suchte damals einen Kaufmann für den Fensterbaubetrieb in Sachsen“, erzählt er. „Am Montag kam der Anruf. Ich hatte 24 Stunden Zeit und eine schlaflose Nacht.“ Sebnitz bekam neue Einwohner.

„Dabei hatte ich von Fenstern keine Ahnung“, gesteht er. „Wenn es nicht geklappt hätte, wäre ich Bauer im Schwarzwald geworden.“. Jehle wurde Bauer. Fensterbauer. Es sei nicht leicht gewesen, von den Einheimischen akzeptiert zu werden. Schlüsselerlebnis sei ein Volksfest gewesen, als er sich hinter den eigenen Grill gestellt habe. Als Jungunternehmer die Sparkasse zu überzeugen, war schwerer. Nach seinem Vermögen befragt, habe er geantwortet: „Ich habe ein Auto und eine Frau.“ Darauf der Banker: „Beides ist nicht zu verwerten.“

Dennoch ging es für das Unternehmen an der tschechischen Grenze bergauf. Die scheinbar schlechte Randlage entpuppt sich nun als Vorteil. „Heute ist es gut, dass wir an der Grenze sind“, sagt der Senior. Mangels heimischer Arbeitskräfte habe er schon drei Tschechen eingestellt.

Neben dem Vater haben beide Söhne, Florian und Alexander, Firmenanteile. So ein Betrieb tickt anders. Er ist Mitgesellschafter der FLG Fenster-Leistungsgemeinschaft, einem Einkaufs- und Interessenverbund von bundesweit 21 Familienbetrieben. Das Titelfoto der preisgekrönten Broschüre hatte eine Sekretärin aus dem Griechenland-Urlaub mitgebracht. Das Firmenmotto „Qualität bis ins Detail“ hatte sich eine Azubine ausgedacht – und dafür eine Hifi- Anlage gewonnen. In den zwei Kantinen gibt’s Getränke gratis und freitags Bockwurst. Dazwischen kochen Mitarbeiter für Mitarbeiter. Ferner: Projekttage mit Schulen und wochenweise Azubi-Tausche mit anderen Firmen. Jehles sponsern den Benefiz-Adventskalender vom Lions-Hilfswerk, unterstützen das Amateurtheater Libre, den Flugmodellclub und die Feuerwehr. „Man weiß nie“, witzelt der Vater. Er wird nur beim Thema Betriebsrat unleidlich.

„Ich will mich in absehbarer Zeit zurückziehen“, sagt der 62-Jährige: Aus der Firma, nicht aus Sebnitz. Bei Florian weiß er sein Erbe gut aufgehoben. Der Sohn hatte den Eltern in der 11. Klasse verkündet, dass er die Schule verlassen werde, weil ihm die Lehrer nichts mehr beibringen könnten. Immerhin hat sich das jugendliche Großmaul später als Betriebswirt bewiesen: „Er hat unseren Einkauf komplett umgekrempelt, die Zahl der Lieferanten und Artikel geschrumpft“, sagt der Vater.

Devise: Weniger ist mehr – auch beim Geschäft: „Das Plus von 600 000 auf neun Millionen Euro 2014 haben wir mit 900 000 Euro Mehrkosten bezahlt“, sagt Florian Jehle. Lehrgeld. Umsatz ist kein Gewinn. „Wir mussten von der Masse weg und uns neu ausrichten“, sagt er. 2016 standen rund 7,7 Millionen Euro Umsatz in der Bilanz.

Mit dem Wohnungsbau boomt auch die Fensterbranche. Nach einer Verbandsstudie werden in diesem Jahr in Deutschland fast drei Prozent Fenster mehr eingebaut – meist zur Renovierung und zur energetischen Gebäudesanierung. Auch 2018 wird Zuwachs erwartet. Die Sebnitzer schwimmen mit auf dieser Erfolgswelle, für vier Millionen Euro sind die Aufträge drin. „Das reicht bis zur 21. Kalenderwoche“, sagt Florian Jehle. Bei den Preisen reicht es Vater und Sohn nicht. Im Besprechungsraum wäre noch Platz für eine vergoldete Statue.

 

Fotos: Jürgen Lösel
Text: Michael Rothe

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