Die Chefs und Inhaber der WT Energiesysteme GmbH in Riesa, einem Spezialisten für Umspannwerke, sind »Sachsens Unternehmer des Jahres«. Eine hochspannende Erfolgsgeschichte.
Wie fängt man Fische? Am besten große. Kapitale! Eine Definition, wie man richtig angelt, gibt es es nicht, nur persönliche Ansichten. Einigkeit herrscht aber darüber, dass Beobachtung, Warten, freudige Erregung und geduldiges Hoffen dazu gehören.
Ein Unternehmer-Trio aus Riesa hat seine eigene Methoden. Dietmar Tietz, Michael Bohnefeld und Marek Reschke, Chefs und Inhaber der WT Energiesysteme GmbH, stehen an diesem Freitag im Mai am Ufer eines Teichs in Bischofswerda. Im Job planen, bauen und warten sie mit ihrer Firma Umspannwerke – vorzugsweise für Solar-, Wind- und Biogasanlagen - und Schaltschränke.
In der Freizeit zieht es sie oft ans Wasser. Bohnefeld war schon als Kind mit Vater und Großvater Angeln. Und auch wenn der 47-Jährige noch lieber auf Jagd geht und unlängst drei Wildschweine geschossen hat, so trifft er sich doch dann und wann mit Tietz, um etwas an den Haken zu bekommen. Alle zwei Jahre fliegen sie nach Norwegen und kehren mit einer Kiste voll Lachs und Heilbutt heim.
Männer können Schweigen
Beim Kurztrip in die Lausitz geht es beschaulicher zu. Der Teich gehört zur Oberlausitzer Angelwelt und Fischzucht GmbH und bietet Gästen mit Angelschein eine weitgehende Fanggarantie. Mit gekonntem Überkopfwurf landet Bohnefelds Schwimmer im Wasser - und wenig später zappelt eine Forelle am Haken. Tietz, der auch schon zum Eisangeln in Schweden war, zieht nach. Nur Reschke muss warten.
Der 46-Jährige nimmt es gelassen. »Auch wenn meine Familie zu DDR-Zeiten eine Karpfenzucht hatte, bin ich nicht der passionierte Angler«, räumt der Motorradfreak ein. »Wir von Marketing und Vertrieb fangen was, und der Techniker muss es ausnehmen«, frotzelt Tietz, der Mann mit dem Boss-Basecap. Das laute Gelächter tut Bohnefelds Fangquote keinen Abbruch. Immer wieder finden Bienenmaden als Köder ihre Abnehmer, was gefeiert wird. Normalerweise suchen auch die Unternehmer bei ihrem Hobby innere Einkehr und Ruhe.
Schweigen - das können Männer. Bei WTF-Chef Tietz, mit 85 Prozent Hauptgesellschafter, gilt sogar: »Ein Mann ein Wort«, meint aber anderes. Er und seine Kompagnons haben dennoch alles über ihr Unternehmen gesagt: auf 35 Seiten, der mit Abstand längsten unter fast 2000 Bewerbungen, die in den 20 Jahren von Sachsens Unternehmerpreis-Wettbewerb eingegangen sind.
Pro Jahr 40 neue Umspannwerke
2002 mit vier Beschäftigten gestartet, bilanzierte es 20 Jahre später mit 75 Leuten bereits einen Umsatz von 40 Millionen Euro. Doch das ist nichts gegen den Schub der letzten drei Jahre. WT zählt am Sitz in Riesa sowie im Dresdner Büro nunmehr 130 Mitarbeitende sowie acht Azubis - und peilt ein Jahresgeschäft von 150 Millionen Euro an.
Gute Angler müssen nicht nur wissen, wo es sich lohnt, die Rute auszuwerfen, auch der Zeitpunkt ist wichtig. Firmengründer Tietz hatte den richtigen Riecher. Der 61-Jährige räumt ein, von der Neuausrichtung der Politik hin zu erneuerbarer Energie profitiert zu haben, und von wachsender Sensibilität der Bevölkerung gegenüber dem Klimawandel. »Der Prozess ist unumkehrbar«, ist Bohnefeld überzeugt. In der Energieerzeugung könne man den Hebel nicht einfach umlegen.
Das Unternehmen hat 210 Umspannwerke ans Netz gebracht. Pro Jahr kommen etwa 40 Anlagen hinzu. Mittels Transformatoren wird dort Energie von Kraftwerken oder anderen Erzeugern von der Höchstspannung (220 oder 380 Kilovolt) auf 110 KV und weiter in regionale Mittelspannung (10, 20 oder 30 KV) umgewandelt. »Unser Auftragsbestand von 270 Werken reicht für Jahre«, freut sich Bohnefeld, »wir müssen mehr ab- als zusagen«.
Mega-Investition für nächsten Schritt
Der Erfolg ist kein Selbstläufer. Durch strategische Zukäufe von vier Betrieben in Meißen, Dresden-Cossebaude und Lindenau bei Ortrand hat sich WT personell verstärkt und unabhängig gemacht. Demnächst geht ein zweites Montageteam zur Leitungsanbindung an den Start, und Tietz & Co denken auch an Großbatteriespeicher aus eigener Produktion. »Der nächste Schritt zur Energiewende«, sagt Marek Reschke.
Mit einer 30-Millionen-Euro-Investition will das Unternehmen seine Erfolgsgeschichte fortschreiben. Die neue Werkhalle und ein zusätzliches Lager sind bereits fertig. Für den 3. Bauabschnitt, einen Verwaltungskomplex mit fast 80 neuen Arbeitsplätzen, war vor einem Monat 1. Spatenstich. Nach Vollendung des Mammutprojekts sind Büros, Fertigung und Ausbildung unter einem Dach – dazu Konferenz- und Sporträume, eine Kantine sowie ein Schulungszentrum mit Trainingsumspannwerk.
Alle Dächer werden mit Photovoltaikmodulen ausgestattet, Parkflächen für E-Mobilität vorbereitet und Batteriespeicher mitgedacht. »Nachhaltigkeit ist für uns kein Label, sondern ein Leistungsversprechen«, versichert Technikchef Reschke. »Wir wollen zeigen, dass wirtschaftliches Wachstum und Umweltverantwortung kein Widerspruch sein müssen.«
»Verdammt stolz auf die Beschäftigten«
»Der Schlüssel zum Erfolg sind unsere Beschäftigten, wir sind verdammt stolz auf sie«, sagt Tietz. Den Beschäftigten aus einem halben Dutzend Ländern wird einiges geboten: auch übertarifliche Bezahlung, familienfreundliche, flexible Arbeitszeit, betriebliche Altersvorsorge von 150 Euro im Monat, bezahlte Kitaplätze, Gesundheitschecks, Massageprogramme, Fahrsicherheitstrainings. Und Fußballfans können sich für zehn Plätze bei Dynamo Dresdens Heimspielen bewerben.
Das spricht sich rum. Zum Entdeckertag in Riesa kamen fast 400 Leute. Wenig später hatte Bohnefeld, auch für das Personal zuständig, schon acht Bewerbungsgespräche. WT Energiesysteme engagiert sich zudem als Namensgeber der früheren Sachsenarena, mit 20.000 Plätzen eine der größten Veranstaltungshallen im Freistaat, für Sportvereine, mehrere Hospize und die Dixielandmeile in Dresden.
Die politischen Entscheider wissen um das Juwel in ihrem Beritt. »WT denkt nicht nur in wirtschaftlichen Dimensionen, sondern investiert gezielt in Mitarbeiterbindung und nachhaltige Entwicklung«, lobt Ralf Hänsel, der Landrat des Landkreises Meißen. Und Riesas Oberbürgermeister Marco Müller nennt das Unternehmen »einen Glücksfall für die Stadt«.
Glück bevorzugt den Vorbereiteten
Apropos: Wieviel Glück gehört zum Angeln? »Das Glück bevorzugt den Vorbereiteten«, zitiert Reschke den französischen Naturwissenschaftler Louis Pasteur. Ein Großteil der Effizienz beruhe auf guter Vorbereitung und Planung, sagt er.
Selten hängt der dicke Brummer beim ersten Versuch an der Leine. Dietmar Tietz hatte sich bereits 2022 um Sachsens Unternehmerpreis beworben und es unter die Top-3 geschafft. Doch »Die Träumende« ging an andere. Das hat den Diplomingenieur angestachelt, es erneut zu versuchen: im Team und mit größerem Köder, sprich Argumenten.
Die Jury hat angebissen. Sie würdigt das Trio als »herausragende Unternehmer mit eindrucksvoller wirtschaftlicher Entwicklung, klarer Werteorientierung und unternehmerischem Mut«. Gründer Tietz habe den Betrieb mit hohem persönlichen Risiko durch alle Höhen und Tiefen geführt und den Aufstieg maßgeblich vorangetrieben, heißt es. Das Unternehmen engagiere sich konsequent bei der Energiewende und setze auf zukunftsweisende Infrastrukturprojekte.
Der Fang ihres Lebens
Und dann gibt es doch noch ein Geständnis. Nicht die Chefs hätten die für die Jury entwaffnende Monster-Bewerbung geschrieben, sondern Jeanette Heinrich vom Projektcontrolling – nach Zuarbeiten aus allen Bereichen. »Wir waren selbst erstaunt, was wir alles machen«, sagt Tietz.
Kein Anglerlatein, wonach kein Fisch größer ist als der fast gefangene. Halbprofi Bohnefeld kennt diese Fachsprache. Seinen Rekord kann er aber belegen. Ein Handyfoto zeigt ihn am Ebro in Spanien mit einem 1,89 Meter großen Wels. Wieder wird gelacht, wo so oft an diesem Vormittag. Die Chemie unter den drei Familienvätern stimmt - und garantiert einmal mehr Erfolg. Am Ende liegen ein Dutzend Forellen, Lachsforellen und Saiblinge im Eimer.
Das Trio weiß, wie man große Fische angelt - noch dazu seltene. Sie sind »Sachsens Unternehmer des Jahres«. Und »Die Träumende« ist der Fang ihres Lebens.
Der Wettbewerb Sachsens Unternehmer des Jahres ist eine Initiative von Sächsischer Zeitung, Freier Presse, Leipziger Volkszeitung und MDR sowie von Volkswagen Sachsen, LBBW, der Schneider + Partner Beratergruppe, der Gesundheitskasse AOK PLUS, Sächsische Lotto-GmbH und »So geht sächsisch«.
Text: Michael Rothe
Foto: Claudia Jacquemin